Der Biologe
Die Erfassung und Darstellung von Lebensvorgängen bedarf der Anschaulichkeit. Vorkommen
und Ausbreitung der Gattungen und Arten kann bei rein verbaler Beschreibung nur schwer
vorgestellt werden, deshalb ist die Biologie mehr als andere Wissenschaften auf die
kartographische Darstellung ihrer Forschungsergebnisse angewiesen. Aber die Biologie ist
aus diesem Grunde auch besonders von der Richtigkeit der Karte abhängig, auf der die
Lebensvorgänge plastisch vorstellbar werden.
Bei der Übertragung der gerundeten Erdoberfläche auf das flache Kartenblatt gibt es
notwendig Verzerrungen. Der Biologe muß bei der Auswahl der von ihm zur Darstellung von
Lebensvorgängen benutzten Karte darauf achten, daß die Karte nicht Verzerrungen solcher
Art hat, die geeignet sind, seine Forschungsergebnisse zu verfälschen.
Grundlage einer wirklichkeitsgetreuen Darstellung von Lebensvorgängen ist die richtige
Wiedergabe der Klimalage, denn die Wanderungen der Pflanzen und Tiere, auf der die
Verbreitung allen Lebens auf der Erde beruht, ist entscheidend von der Klimalage bestimmt.
Obwohl außer der Klimalage auch andere Faktoren, wie Bodenbeschaffenheit und
Niederschlagsmenge das Klima mitbestimmen, stellt doch Dauer und Richtung der
Sonneneinstrahlung (und damit die geographische Höhe eines Ortes) die bestimmende Basis
äquiklimatologischer Bedingungen dar. Dabei ist die Lichteinwirkung von nicht geringerer
Bedeutung wie die Wärmeeinwirkung. Die Klimalage ist auch, ungeachtet ihrer
multifaktoriellen Bestimmtheit, letzte Ursache für die biologische Grundgegebenheit der
Wanderung und damit für das Vorkommen und die Ausbreitung aller Gattungen, Familien,
Arten und Varietäten. Die richtige Darstellung der Klimalage ist also eine unabdingbare
Forderung der Biologie an die Karte. Nur wenn alle Orte gleicher Sonneneinstrahlung auf
einer Waagerechten dargestellt sind, ist eine Karte zur Veranschaulichung biologischer
Vorgänge und Zustände geeignet. Diese, von den Kartographen als "Lagetreue"
bezeichnete Eigenschaft ist mithin für den Biologen unverzichtbar.
Die Verschiebung der Klimazonen kann aber auch nur dann richtig von der Karte abgelesen
werden, wenn diese außer einer wirklichkeitsgetreuen Wiedergabe der Ost-West-Richtung
(Lagetreue) auch durch richtige Wiedergabe der Nord-Süd-Richtung sich auszeichnet. Diese,
heute als "Achstreue" bezeichnete Karteneigenschaft läßt uns erst alle
Lebensvorgänge richtig zuordnen und ist für die unmittelbare kartographische
Orientierung ebenso unerläßlich wie die Lagetreue.
Weil die Mercator-Karte diese beiden Grundeigenschaften einer Karte (Lagetreue und
Achstreue) besitzt, wurde sie bis in unsere Epoche hinein fast ausschließlich für die
Darstellung biologischer Vorgänge benutzt.
Leider erkauft die Mercator-Karte aber ihre Lagetreue und Achstreue durch ihren bewußten
Verzicht auf die richtige Darstellung der Areale, deren Größenverhältnisse von ihr grob
verfälscht sind. So wird auf ihr etwa ein Areal von 1000 Quadratkilometern doppelt oder
dreimal so groß dargestellt, wenn es in Europa liegt, als wenn es etwa in Zentralafrika
oder Südamerika liegt. Dadurch ist die Veranschaulichung biologischer Vorgänge und
Zustände auf der Mercator-Karte aber außerordentlich erschwert. Denn die Arealgrenzen (=
Grenzen der Verbreitung von Pflanzen und anderen Lebewesen) und damit die Arealgrößen
müssen eindeutig aus der Karte ablesbar sein. Ihre fehlerhafte Darstellung führt auch zu
falschen Schlüssen über die Dauer von Wanderungsvorgängen (Wanderungsgeschwindigkeit)
und damit zu einer Fehlorientierung über den für das Verständnis biologischer Vorgänge
wichtigen Zeitfaktor. Auch das Verständnis der Evolutionsprozesse wird durch eine
Verzerrung der Arealgrößen sehr erschwert. Schließlich ist auch die Aufteilung der
Erdoberfläche in Landmasse und Wasseroberfläche so wichtig, daß deren Verfälschung auf
der Mercator-Karte höchst unerwünscht, ja störend ist. Denn alles Leben kommt aus dem
Meere und das Leben auf dem Lande ist bis heute in vielfältiger Weise mit dem Leben im
Meere verwoben.
Wenn der Biologe der Mercator-Karte bisher trotz ihrer groben Verfälschung der
tatsächlichen Arealgrößen den Vorzug vor anderen Karten gab, auf denen die
Arealgrößen richtiger oder ganz richtig (=flächentreu) abgebildet waren, so ist dies
allein darauf zurückzuführen, daß bisher alle flächentreuen Karten weder lagetreu noch
achstreu waren. Bei der Bedeutung, die der Klimalage für alle Lebensvorgänge zukommt,
wäre es also unvertretbar gewesen, für die Darstellung biologischer Vorgänge
flächentreue Karten zu verwenden, solange die Flächentreue durch den Verzicht auf
Lagetreue und Achstreue erkauft war.
Aus diesem Grunde kommt der Entstehung der Peters-Karte in unserer Zeit größte Bedeutung
zu. Der deutsche Historiker Arno Peters hat nämlich in seiner Karte die so wichtige
Flächentreue endlich mit den für den Biologen unverzichtbaren Karteneigenschaften
(Lagetreue und Achstreue) vereinigt. Damit hat er jene Erdkarte geschaffen, die alle vom
Biologen von einer Karte geforderten Eigenschaften enthält. Deshalb befürworte ich die
Verwendung der Peters-Karte an Schulen und Universitäten sowie in der Presse und
besonders in dem für das allgemeine Weltbild immer wichtiger werdende Medium Fernsehen.
Durch die weltweite Verbreitung der Peters-Karte werden der breitesten Öffentlichkeit
jene geographischen Grundgegebenheiten wirklichkeitsgetreu vermittelt, die zum
Verständnis aller Lebensvorgänge unerläßlich sind.
Wenn die Biologie bis in unsere Zeit hinein den Lebensvorgängen im europäischen Raume
ihre besondere Aufmerksamkeit zugewandt hat, so war das weder ideologisch noch politisch
bedingt. Die Erforschung der Lebensvorgänge anderer Kontinente erforderte große Reisen,
die mit erheblichen Kosten und Umständen verbunden waren. In unserer Gegenwart aber sind
durch den schnellen Ausbau des Verkehrswesens, der allgemeinen Sicherheit und der
zunehmenden internationalen Zusammenarbeit die Voraussetzungen für eine wirklich
universale Erforschung und Darstellung der Lebensvorgänge unserer Erde gegeben. In diese
Zeit aber paßt nicht mehr die Mercator-Karte und die ihr europazentrischen Weltbild
fortschreitenden vermittelnden Karten (van der Grinten, Winkel usw.). Und: Wir brauchen
nun nicht mehr zwischen Kompromißlösungen zu wählen: Arno Peters hat durch Vereinigung
der bisher für unvereinbar gehaltenen Kartenqualitäten der Flächentreue und der
Achstreue mit der für den Biologen unverzichtbaren Lagetreue die ideale Erdkarte
geschaffen. Wir brauchen uns ihrer nur noch zu bedienen.
Unterschrift
(Prof. Dr. Walter Zimmermann)
Ordinarius für Botanik
an der Universität Tübingen
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Datum der letzten Aktualisierung: 25. Januar 2001