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The intenational jurist
Das klassische europäischatlantische Völkerrecht hat sich bisher mit der Frage der
kartographischen Darstellung der Länder unserer Erde nicht beschäftigt. Diese Tatsache
rührt daher, daß die vor über 400 Jahren entstandene Mercator-Karte und ihre bis heute
unsere geographischen Vorstellungen prägenden Varianten auf der Grundlage des gleichen
europazentrierten Weltbildes entstanden sind, auf der das klassische Völkerrecht beruhte.
Der Kreis der Völkerrechtssubjekte war bis zum ausgehenden 18. Jahrhundert auf die
europäischen Mächte beschränkt, später traten die Vereinigten Staaten hinzu. Genauer
gesagt entschied über die Zugehörigkeit zur Völkerrechtsgemeinschaft das Bekenntnis zum
Christentum. Erst im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden einige nichtchristliche Länder
aufgenommen (so China, Japan, Persien, Siam und Türkei), die farbigen,
"unzivilisierten" Völker insbesondere der südlichen Hemisphäre blieben
ausgeschlossen und bildeten damit originäre Objekte der kolonialen Eroberung. Die
völkerrechtliche Legalisierung dieser Eroberungen war deshalb auch nicht ein Prozeß, der
sich gegenüber der unterworfenen Kolonialbevölkerung vollzog, sondern nur im Verhältnis
zu den konkurrierenden europäischen Mächten. Ihnen gegenüber mußte ein Rechtstitel auf
Kolonialokkupation erworben werden, die Rechtspositionen der "unzivilisierten"
Kolonisierten waren völlig irrelevant. Die Legitimität solcher Eroberungen und ihre
völkerrechtliche Rechtfertigung ergaben sich aus christlicher und zivilisatorischer
Mission. Auch soweit sich später (Berliner Kongo Konferenz von 1885, Brüsseler Anti
Sklaverei Konferenz von 1890) völkerrechtliche Schutznormen für die einheimische
kolonisierte Bevölkerung herausbildeten, blieben diese Völker nichts anderes als
Herrschaftsannex und Ausbeutungsobjekte der Kolonialmächte.
Dementsprechend erfüllte die Mercator-Karte, die die Kolonien achs- und lagetreu zu ihren
im Mittelpunkt ruhenden "Mutterländern" darstellte, die wesentlichsten
Funktionen einer Weltkarte dieser Epoche und ließ gleichzeitig das tatsächliche
politische Machtgefälle in nicht allzu großem Kontrast zum territorialen
Größenvergleich erscheinen. Flächentreue war unter diesen Gesichtspunkten nicht
geboten. Die Tatsache, daß die Kolonialmächte durchschnittlich etwa genauso groß
abgebildet wurden wie ihre über doppelt so großen Kolonien, war ein kartographisches
"Entgegenkommen", um die Maßlosigkeit der Eroberungs- und Expansionsfeldzüge
nicht allzu kraß in Erscheinung treten zu lassen.
Spätestens mit Ende des Ersten Weltkrieges und den ersten Anzeichen der Auflösung der
Kolonialreiche beginnt sich jedoch der Wandel des Völkerrechts in ein demokratisches
Völkerrecht zu vollziehen. Wohl hatte es schon in der Monroe Doktrin von 1823 ein lokal
begrenztes Dekolonisierungspostulat gegeben, und der Anspruch auf Selbstbestimmung hatte
sich auch schon vor 1918 in vielen Kolonialvölkern geregt, aber um vom
Völkerrechtsobjekt zum Subjekt des Völkerrechts zu werden, bedurfte es grundlegender
weltgeschichtlicher Umwälzungen. Das Mandatssystem der Völkerbundsatzung (Art. 22) wird
zwar in der Völkerrechtswissenschaft als "Markstein in der
Dekolonisierungsgeschichte" angesehen, praktisch hat es aber wenig zur
Dekolonisierung beigetragen. Juristisch voll zum Durchbruch gelangt ist die
Dekolonisierung erst mit der Satzung der Vereinigten Nationen (vgl. insbesondere Art. 73),
womit auch die Epoche des alten, klassischen Völkerrechts zu Ende ging. Die einseitige
Europazentriertheit wich zunächst einer allgemeinen Pflichtenbindung zugunsten der
Kolonialvölker, die aber allmählich immer mehr von der politischen Emanzipation und dem
Selbstbestimmungsrecht der Völker abgelöst wurde.
Während die Bandung Konferenz der asiatischafrikanischen Staaten von 1955 noch die
Erklärung verabschiedete, "daß der Kolonialismus in allen seinen Formen ein Übel
ist, das baldigst beseitigt werden sollte", konnte die Vollversammlung der Vereinigte
Nationen am 13. Dezember 1960 in ihrer berühmten Dekolonisierungsresolution 1514 (XV)
bereits feststellen: "2. All peoples have the right to selfdetermination; by virtue
to that right they freely determine their political status and freely pursue their
economic, social and cultural development...
6. Any attempt aimed at the partial or total disruption of the national unity and the
territorial integrity of a country is incompatible with the purposes and principles of the
Charter of the United Nations." Auf diese Resolution bezogen sich alle späteren
Beschlüsse der Konferenz der blockfreien Staaten gegen den Kolonialismus wie auch alle
späteren zahlreichen Resolutionen der Vereinten Nationen, so die Resolutionen 1803, 1810,
1815 (XVII), so daß die herrschende Lehre heute von einem gewohnheitsrechtlichen
Dekolonisierungsgebot ausgeht. Als die 25. Vollversammlung der Vereinten Nationen am 24.
Oktober 1970 einstimmig die "Deklaration über die Prinzipien des Völkerrechts
betreffend die freundschaftlichen Beziehungen und Zusammenarbeit zwischen den Staaten in
Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen" verabschiedete, war damit
endgültig der Wandel vom klassischen europazentrierten Völkerrecht zum
demokratischuniversellen Völkerrecht vollzogen. Die folgenden 7 Prinzipien dienen ihm als
Grundlage: Das Verbot der Gewaltandrohung und -anwendung, der Grundsatz der friedlichen
Streitbeilegung, das Einmischungsverbot, das Prinzip der Gleichberechtigung und
Selbstbestimmungsrecht der Völker, der Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten,
die Pflicht zur friedlichen Zusammenarbeit und die Pflicht zur Vertragstreue. Es ist
offensichtlich, daß mit diesen Prinzipien juristisch das eurozentrische Weltbild
verlassen worden ist, selbst wenn es faktisch auf vielen Ebenen noch immer wieder
durchschimmert. Obsolet wird damit auch eine Weltkarte, die die alten europäischen
Kolonialmächte nicht nur im Mittelpunkt des Bildes läßt, sondern sie im Verhältnis zu
den politisch selbständig gewordenen Staaten überdimensional groß abbildet wie es die
Mercator-Karte und alle an ihr orientierten Projektionen es heute tun, auch die von ARD
und ZDF täglich ausgestrahlte van der Grinten-Karte.
Das Staatsgebiet bildet den Ausgangspunkt für die Regelung der meisten Fragen, welche die
internationalen Beziehungen betreffen, und das Völkerrecht knüpft an diese Tatsache an,
indem sie die Herrschaft über ein bestimmtes Gebiet als Gebietshoheit anerkennt und jedem
Staat ein Recht auf das von ihm beherrschte Gebiet als Souveränität zuerkennt. Diesem
für jeden Staat und seine Beziehungen zu anderen Staaten fundamentalen Tatbestand muß
auch auf einer Weltkarte Rechnung getragen werden. Das ist jedoch nur dann der Fall, wenn
das Gebiet flächentreu abgebildet wird. Dies gilt in gleicher Weise für die Staaten
Europas und Amerikas wie für die Lateinamerikas, Afrikas, Asien und Australien. Jede
andere, nicht flächentreue Darstellung ist gemessen an den aus dem heutigen Völkerrecht
folgenden demokratischen Ansprüchen diskriminierend.
Der Kolonialismus trug viele Züge der politischen, ökonomischen und kulturellen
Diskriminierung. Neben der offensichtlichsten Form, der Rassendiskriminierung, gab es
vielfältige Formen verdeckter Diskriminierung, deren eine man gewiß darin sehen muß,
daß die Kolonialgebiete bei ihrer Wiedergabe auf unseren Weltkarten im Verhältnis zum
Gebiet der Kolonialmächte in ihrer tatsächlichen Größe mindestens halbiert wurden. Es
stellt keine unzulässige Überdehnung des in vielen UN Resolutionen festgelegten
Diskriminierungsverbotes dar, wenn man seinen antikolonialistischen, demokratischen
Grundgedanken auch auf die Kartographie anwendet und an sie aus völkerrechtlicher Sicht
die Forderung nach streng paritätischer Darstellung aller Länder der Erde und damit nach
Flächentreue stellt.
Diese Forderung wird von der Peters-Karte erfüllt, ohne daß sie die entscheidenden
Vorzüge der alten Mercator-Karte (Achstreue und Lagetreue) aufgibt. Aus der Sicht des
Völkerrechtlers ist daher der Peters-Projektion unbedingt der Vorzug vor allen anderen
Projektionen einzuräumen.
Unterschrift
(Prof. Dr. Normen Pasch)
Ordinarius für Völkerrecht an der Universität Hamburg
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Date of last amendment: 25. Januar 2001