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The economic-geographer

 

Jedes Zeitalter braucht die zu ihm passende Weltkarte

Zum Verständnis der Weltkarte von Arno Peters


In der Mitte unseres Jahrtausends formte sich das ozeanische Zeitalter. Als islamisierte Völker den Landweg durch den Orient zu den tropischen Schätzen Südasiens sperrten, bezwang das Abendland mit Segelschiffen die Ozeane. In nur 29 Jahren wurde Amerika entdeckt, Afrika umfahren, Süd- und Ostasien erreicht, die Erde umsegelt und danach in einem längeren Zeitraum Umriß und Inhalt der transozeanischen Landmassen erforscht. Das atlantisch-maritime Westeuropa schuf sich dabei neuen Pionier-Siedlungsraum in Übersee.

Damit war zum ersten Mal die Erde als Ganzes in das Bewußtsein der Menschen getreten. Das Schiff wurde zum wichtigsten Fernverkehrsmittel. Es war die genial erdachte Mercator-Karte, die 1659 erstmals erschien und sich als bestgeeignete Weltkarte für das ozeanische Zeitalter erwies. Die wichtigste Forderung, die man damals an eine Abbildung der Erdkugel stellen mußte, war die Winkeltreue. Die nach dem gleichen Prinzip entworfenen Seekarten eroberten die Kommandobrücken der Schiffe.

Der in der Zylinderprojektion begründete größte Nachteil der Mercator-Weltkarte in Form einer unglaublichen Flächenverzerrung in mittleren und höheren Breiten fiel dabei kaum ins Gewicht, ebensowenig wie die nicht abbildbaren Polarräume. Denn damals existierten die großen Kulturräume unserer Erde noch weitgehend isoliert. Sie waren wirtschaftlich und kulturell quasi-autarke Gebilde. Und die Polarräume galten als bedeutungslos.
Mit der Industrialisierung begann eine neue Epoche. Sie ging wieder vom maritimen Europa aus. Die Eisenbahn ermöglichte seit der Mitte des 19. Jahrhunderts eine ungeahnte Verkehrsrevolution. Jetzt vermochte man die tief in den Binnenländern gelegenen bergbaulichen Schätze für die Industrieproduktion in Wert zu setzen und kontinentweite Räume zugänglich zu machen. Unter dem Einfluß der neuen Technik, der Wissenschaft und des Überseehandels wurden immer neue Räume der Weltwirtschaft erschlossen und schließlich auch die Grasländer der Südhalbkugel zu Getreide-, Fleisch- und Woll-Lieferanten Europas gemacht. Gleichzeitig schob man moderne Verkehrswege in die menschenreichen Subkontinente Indien und China hinein und weitete sie zu Märkten für europäische Waren. Die bis dahin noch freien Räume Afrikas, Südostasiens und Ozeaniens aber wurden als Nahrungs- und Rohstoffhilfsländer in der schon zur Abschließung in Nationalwirtschaften hindrängenden Zeit des Imperialismus kolonial aufgegliedert.

In dieser Epoche, in der man flächentreue Karten der Länder und des Erdballs benötigte, begann man nach Projektionen zu suchen, die irreführende Flächenverzerrungen weitgehend vermieden. Hammer (1892), Behrmann (1910), Winkel (1913), Goode (1923) und schließlich auch Karlheinz Wagner (1934) gehören mit ihren Karten-Entwürfen in das sich bis zum Zweiten Weltkrieg hinziehende Zeitalter der europäischen Weltherrschaft.

Europa, dem Geist jener Zeit entsprechend, lag im Zentrum dieser Karten, die Nordhemisphäre wurde stärker berücksichtigt als die Siidhemisphäre und überdies fast stets der pazifische Raum durchschnitten. Das europazentrische Weltbild wurde in fast allen Großräumen der Erde widerspruchslos akzeptiert. Keine dieser mehr oder weniger vermittelnden Weltkarten konnte jedoch voll befriedigen. Auch aus diesem Grunde blieb die Mercator-Karte gewohnheitsmäßig die wichtigste Weltkarte. Ihre Wiedergabe der Kontinente und Ozeane formte weiterhin das kartographische Weltbild der Menschheit - trotz der Flächenverzerrungen.

Heute leben wir im globalen Zeitalter. Weltwirtschaft, Weltverkehr und Weltpolitik ebneten den Weg zur Gegenwartsepoche. Mit den elektronischen Kormmunikationsmitteln, den Computern und der Raumfahrt hat sich das globale Zeitalter endgültig etabliert. Die einzelnen Regionen der Erde sind wie kommunizierende Röhren miteinander verbunden. Jede grundlegende Änderung in einer Weltgegend wirkt sich mit wechselnder Wertigkeit auch in den anderen Kultur- und Machtbereichen aus. Die Erde ist erstmals zu einer Wirkungseinheit und Schicksalsgemeinschaft geworden.

Und erstmals in der Geschichte der Menschheit tauchen Probleme auf, deren Lösung nur durch das Zusammenwirken aller Staaten und Völker erreicht werden kann. Man denke nur an die Folgen der Bevölkerungslawine, an das Gespenst des Hungers, an die Begrenztheit der Energie- und Rohstoffreserven der Erde oder an die gefährlichen anthropogenen Veränderungen der Umwelt.

Für diese neue Epoche der Menschheit brauchen wir in allen Ländern und bei allen Völkern der Erde ein der Wirklichkeit möglichst genau entsprechendes Weltbild, das weder durch die kartographische Wiedergabe noch durch nationale Egoismen verzerrt ist. Nur dann besteht die Chance, daß die angestrebten Lösungsversuche der Weltprobleme überall gleichsinnig verstanden werden.

Die Weltkarte des globalen Zeitalters ist die Peters-Karte. Sie ist als Abbildung der Erde in der Ebene zugleich flächentreu, stellt die gesamte Erdoberfläche einschließlich der immer wichtiger werdenden Polargebiete dar, hat den Äquator in der Kartenmitte und weist damit auf die Bedeutung der Entwicklungsländer hin, bildet die Längenkreise senkrecht und die Breitenkreise waagerecht ab und erlaubt damit die zum Verständnis der naturgeographischen Grundlagen erforderliche unmittelbare Vergleichbarkeit. Bis in die mittleren Breiten hinein - und damit die Hauptlebensräume der Menschheit umfassend - ist die Peters-Weltkarte annähernd winkel- und entfernungstreu. Indem sie die unvermeidlichen Verzerrungen in die dünner besiedelten Äquatorialgebiete und in die unbewohnten Polarzonen legt, erfüllt sie die alte Forderung der Geographie zur möglichst wirklichkeitsgetreuen Darstellung der dicht bevölkerten Erdgebiete. Außerdem hat, sie wegen ihrer meridionalen Teilbarkeit den unschätzbaren Vorteil, für jeden gewünschten Großraum der Erde, wie etwa den pazifischen, den indo-asiatischen, den afro-europäischen, den atlantischen oder den amerikanischen Bereich, ohne Neukonstruktion verwendbar zu sein. Sie verkörpert kartographisch das allgemeine Weltbild unserer Zeit.


Unterschrift
(Prof. Dr. Albert Kolb)
Direktor des Instituts für Wirtschaftsgeographie

an der Universität Hamburg

 

 

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Date of last amendment: 14. Februar 2001