Der Sozialpsychologe
Das Kernproblem der Psychologie ist die Unfähigkeit des Menschen, sich in seinen
Nächsten hineindenken und hineinfühlen zu können. Wir bewegen uns wie Planeten, die
nicht einmal durch Schwerkraft miteinander verbunden sind. Der Egozentrismus des
Individuums schlägt sich dann prompt im Lokalzentrismus des Dörfchens, im
Nationalzentrismus des Staates, im Europazentrismus der Europäer, im Amerikanozentrismus
der Amerikaner, in der chinesischen Illusion des Reichs der Mitte und in ähnlichen
Projekten des Egozentrismus nieder.
Als Psychologe freut man sich natürlich, wenn irgendein Fachmann auf irgendeinem Gebiete
aus diesem Circulus vitiosus herausbricht und neue Wege zum Nachbarn findet. Einer, der
das geschafft hat, ist der Panhistoriker und Kartograph Arno Peters, der ein
Projektionssystem erarbeitet hat, das uns von den kolonialistischen Ideologien des 15.19.
Jahrhunderts befreit hat.
Denn die Mercator-Karte, das Weltbild der europäischen Seefahrer und Eroberer, war ein
Ausdruck europäischer Weltmachtbestrebungen. Die Länder Europas und des
"weißen" Mannes waren viel größer abgebildet, als es ihrer wirklichen
Ausdehnung entsprach. Die Länder der "farbigen" Völker wurden dementsprechend
verkleinert. Außerdem schob die Mercator-Karte Europa und Deutschland in die Mitte der
Welt, obwohl unser Land doch im nördlichsten Viertel der Erde liegt.
Diese Verfälschung der Wirklichkeit (bewirkt durch die Darstellung der südlichen
Erdhälfte auf einem Drittel der Kartenfläche bei gleichzeitiger Darstellung der
nördlichen Erdhälfte auf zwei Dritteln) machte die Mercator-Karte zum Symbol der
Kolonialzeit. Sie prägte das geographische Weltbild während der jahrhundertelangen
kolonialen Unterdrückung und Ausbeutung der ganzen Erde durch das winzige aber listige,
kluge aber selbstsüchtige Europa.
Diese Epoche ist vorüber. Fortschrittliche Menschen benötigen heute ein neues
geographisches Weltbild, mit einem Höchstmaß an objektiver kartographischmathematischer
Qualität. Nach dem Urteil der Fachwelt hat Arno Peters diese objektive Erdkarte
geschaffen.
Die Peters-Karte erhält das klare Kartenbild der Mercator-Karte und zeichnet sich wie
diese durch Bewahrung der wirklichen Nord-Süd Richtung (Achstreue) aus, sowie durch die
Abbildung aller Orte gleicher Klimalage auf einer parallel zum Äquator verlaufenden
Geraden (Lagetreue). Diesen Qualitäten fügt sie die wahrheitsgetreue Wiedergabe der
echten Größenverhältnisse aller Länder und Kontinente hinzu (Flächentreue), und sie
bildet folglich auch die südliche Erdhälfte genau so groß ab wie die nördliche. So
erhält die Peters-Karte die guten Eigenschaften der Mercator-Karte, überwindet aber das
ihr zugrundeliegende Weltbild und bringt so die Erdkarte in Übereinstimmung mit dem
fortschrittlichen Weltbild der Gegenwart. Ihr gegenüber sind die nichtflächentreuen
Karten von Mercator über Mollweide und Aitoff bis van der Grinten und Winkel nur
Varianten des alten europazentrischen Weltbildes, das den von "farbigen"
Völkern bewohnten Ländern die paritätische Darstellung vorenthält. Sie stammen, wie
die Mercator-Karte, aus der kolonialen Epoche Europas (Mollweide 1805, Aitoff 1889, van
der Grinten 1904, Winkel 1913) deren kartographischer Ausdruck sie sind. So ist es im
Grunde auch für den Sozialpsychologen selbstverständlich, daß er sich der Peters-Karte
bedient, wie ich es seit Jahren tue.
Mein besonderes Eintreten für die allgemeine Verwendung der Peters-Karte hat aber noch
einen besonderen Grund: Die Friedens und Konfliktforschung wird zunehmend als zentrales
Aufgabengebiet der Sozialpsychologie erkannt, die Erhaltung des Weltfriedens gehört zu
ihrem eigensten Arbeitsbereich. Arno Peters hat in den vergangenen dreißig Jahren die
Weltgeschichte als Konfliktgeschichte zur Anschauung gebracht (Synchronoptische
Weltgeschichte). Er hat damit den europazentrischen, ja europabornierten Charakter unseres
geschichtlichen Denkens aufgebrochen und hat die Geschichte der außereuropäischen
Völker paritätisch in unser historisches Weltbild eingefügt. In den letzten zehn Jahren
hat Peters nun diesem universalen Weltbilde die geographische Dimension hinzugefügt und
zugleich deren bisher europazentrischen Charakter ins Bewußtsein der breiten
Öffentlichkeit gerückt. Seine Erdkarte ist ein Symbol der Gleichberechtigung aller
Völker, Symbol einer Grundhaltung, ohne die auf die Dauer der Weltfrieden nicht gesichert
werden kann, Symbol der sozialen Befreiung der ehemaligen Kolonialvölker, die in unserer
Epoche wohl ihre politische Unabhängigkeit erkämpft haben, wirtschaftlich aber weiterhin
von ihren früheren Kolonialherren (den westlichen Industriestaaten) ausgebeutet werden.
An der sozialen Grundtatsache, daß Dreiviertel der Erdbevölkerung den Überfluß der
Industrienationen erarbeiten, ohne selbst satt zu werden, hat sich also seit dem
Kolonialzeitalter nichts geändert. Die Ausbeutung der farbigen Völker, früher politisch
erzwungen, wird heute über den Weltmarktpreis so manipuliert, daß die Ausgebeuteten sich
noch bei ihren Ausbeutern für diesen ungleichen Tauschhandel bedanken müssen. Sicher
kann an dieser sozialen Grundtatsache auch ein neues Kartenbild der Erde nichts ändern.
Aber die Peters-Karte ist dazu angetan, die Tatsache der Übervorteilung der
"farbigen" Völker ins allgemeine Bewußtsein zu heben. Deshalb ist es auch kein
Zufall, daß sich innerhalb der Regierungen, der internationalen Organisationen, der
Kirchen, der Medien jene Kreise der Peters-Karte annehmen, die eine gerechtere Verteilung
der Güter dieser Erde befürworten. Denn die Peters-Karte befähigt nicht nur ihre
Benutzer zur paritätischen Betrachtung aller Länder der Erde, sondern erzwingt diese
Betrachtung. Damit ermöglicht ihre Benutzung die Einbettung der ihr zugrundeliegenden
Gesinnung in das übergreifende Wertsystem einer fortschrittlichen Weltanschauung. So kann
beispielsweise der Nord-Süd Konflikt, der in unserer Gegenwart neben den Ost-West
Konflikt getreten ist, mit Hilfe der Peters-Karte besser verstanden werden. Für jeden,
der die Welt im Sinne eines gerechten Zusammenlebens freier Menschen verändern will, ist
die Peters-Karte deshalb ein gutes, ein wichtiges Werkzeug. Zusammen mit Peters"
Synchonoptischer Weltgeschichte ist sie Ausdruck eines veränderten Weltbildes, das dem
psychischen Egozentrismus des Homo sapiens entgegenwirkt.
Unterschrift
(Prof. Dr. Ernest Borneman)
Lehrstuhl für Sozialpathologie
an der Universität Salzburg
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Datum der letzten Aktualisierung: 25. Januar 2001