Der Theologe
Die Kirche ahnt, daß sie in einer neuen Welt lebt. Die Kirche braucht ein revidiertes
Weltbild, um ihre neue Umwelt zu verstehen, um sich selbst in ihrer Umwelt besser zu
verstehen. Die Peters-Karte bietet der Kirche die geographische Grundlage für dieses
neue, revidierte Weltbild.
Die Kirche betrachtet die Erde als einen Teil des von Gott geschaffenen Universums. Dieser
Glaube hat die Kirche jedoch nicht gehindert, zusammen mit den politischen und
wirtschaftlichen Interessen eines aus dem Erbe der Antike sich entwickelnden Europa Gottes
Erde so umzugestalten, daß ihre geistlichkulturelle Heimat um das Mittelmeerbecken herum
zum Mittelpunkt ihrer Welt wurde.
Wiewohl die Bibel uns lehrt, daß Gott den Menschen zu seinem Bild, zum Bilde Gottes,
geschaffen hat, folgte die Kirche, wie auch die anderen gesellschaftlichen Institutionen
ihrer begrenzten Welt, den Vorstellungen antiker Historiker, die die Völker in direkter
Beziehung zu deren Entfernung von der eigenen, erlebten Kulturmitte qualifizierte: Vom
weniger erleuchteten Nachbarn zum minderen Barbaren zum schlichten Wilden.
Über lange Jahrhunderte hinweg schloß der Ring des Islam eine kirchliche Ausweitung
über die Anlieger des südlichen und südöstlichen Mittelmeeres aus. Im Norden und
Westen wurden "Barbaren" bekehrt und in christliche Kulturnationen umgewandelt.
Deren seefahrerische Entdeckungen fremder Völker und Kulturen fügten Neues einer
bestehenden Mitte zu. Unter den zahlreichen Bemühungen, die weiter, entdeckte aber noch
kaum bekannte Welt kartographisch darzustellen und eine verläßliche Navigation in diese
entfernten Bereiche zu sichern, hat sich die Arbeit von Gerhard Kremer (Mercator), dem
genialen Flamen, durchgesetzt. Seine Projektion hat seit dem 17. Jahrhundert das
europäische Weltbild bestimmt: Das Mittelmeer und Europa sind Mittelpunkt der Erde.
Und Europa blieb dieser Mittelpunkt der Welt während der vergangenen Jahrhunderte
kolonialer Expansion der führenden europäischen Staaten und der mit ihr eng verbundenen
missionarischen Ausweitung der Kirche.
Mehrere Jahrhunderte lang entsprach dieses Weltbild auch der Wirklichkeit, denn bis zum
zweiten Weltkrieg blieb Europa politisch, wirtschaftlich und auch kirchlich die
unbestrittene Mitte unserer Welt. Dann wurden aus Kolonien und wirtschaftlichen
Einflußgebieten unabhängige Nationalstaaten und mit etwa einem Jahrzehnt Verzögerung
sind auch eigenständige Kirchen jenseits der alten Mitte gewachsen. So hat sich die
Zentrierung der Erde um die europäische Mitte aufgelöst.
Die kirchliche Welt entdeckte eine Reihe von Mittelpunkten, ohne sie in jedem Falle als
solche auch anzuerkennen: Zu dem noch am ehesten akzeptierten Schwerpunkt Nordamerika (das
sich auch kirchlich als eigenständiges, wiewohl von Europa geprägtes Zentrum durchsetzen
konnte) kommen weitere Zentren hinzu, alte wie neue. Die orthodoxen Kirchen im Mittleren
Osten werden wiederentdeckt in dem Maße, wie sie sich selbst untereinander finden und
sich in dem neuen politischwirtschaftlichen Mittelpunkt einer gemeinsamen arabischen Welt
orientieren. Die orthodoxen Kirchen in Äthiopien und Indien geben sich als lange
unbeachtete Kleinmittelpunkte zu erkennen. Die römischkatholischen Bistümer
Lateinamerikas beginnen, sich als eigene Mitte, außerhalb des Zentrums Rom zu verstehen.
Die Kirchen Afrikas und Asiens nehmen seit 1968 zunehmend Einfluß auf die Tagesordnung
der ökumenischen Bewegung und stören empfindlich die theologischen Präferenzen der
europäischen Kirchen, die sich bisher als Wächter der ökumenischen Mitte wähnten. Die
kirchliche Welt um eine europäische Mitte herum gibt es nicht mehr.
Sofern die europäischen Kirchen sich heute noch an der nicht mehr vorhandenen
geographischen Mittelmeermitte orientieren, fühlen sie sich durch diese Entwicklung neuer
kirchlicher Mittelpunkte bedroht. Die Reaktionen dieser Kirchen sind unterschiedlich:
Einige ziehen sich auf sich selbst zurück, andere kämpfen geistlich wie politisch für
die Erhaltung des christlichen Abendlandes und einige wenige suchen ihren Auftrag in einer
realen, multizentrierten Welt zu erfüllen. Ihnen allen kann die Peters-Karte helfen.
Für die Kirche besteht der Vorzug der Peters-Projektion darin, daß sie die wirkliche
Mitte der Erde, den Äquator, in die Kartenmitte gestellt hat und alle Länder wie
Kontinente und Meere in ihren wirklichen Größenverhältnissen zeigt, flächengetreu,
achstreu und lagetreu.
Das mediterrane Europa ist nicht mehr die Mitte der Welt. Die Kirchen Europas haben nicht
mehr teil an einem geopolitischen Zentrum, das zugleich kartographischer Beziehungspunkt
war. Die neue Erdkarte bestätigt der Kirche jenes neue Gesicht der Erde, dessen auch sie
bedarf und dessen Symbol
die Peters-Karte ist. Sie löst die überholten geopolitischen Vorstellungen des alten
christlichen Abendlandes kartographisch auf und setzt alle Länder der Erde in eine
gleichwertige Beziehung zueinander.
Nicht weniger wichtig, als das Wissen darum, daß unsere auf Mercator beruhenden
Vorstellungen über Größe und Lage der Länder einer Revision bedürfen, ist für die
Kirchen das Erlangen der Einsicht, daß in den flächenrichtig dargestellten Ländern der
bisher durch überwertige Darstellung Europas benachteiligten Dritten Welt Menschen als
gleichwertige Geschöpfe Gottes leben, in eigenständigen Kirchen, mit eigenen
theologischen Prioritäten und eigenen kirchenpolitischen Schwerpunkten.
Eine Reihe kirchlicher Werke und Behörden in Deutschland und im Ausland haben aus diesen
Gründen bereits Gebrauch von der Peters-Karte gemacht und sie in vielfältiger Weise der
Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Erfahrungen dieser kirchlichen Stellen sind
positiv: Der europazentrische Charakter des christlichabendländischen Weltbildes wird
erkannt, ererbte Vorstellungen werden überdacht und auch überwunden. Die Kirche hat viel
Grund, Arno Peters für seine Projektion dankbar zu sein.
Unterschrift
(Dr. Hans W. Florin)
Generalsekretär der World Association for
Christian Communication, London
In meinen theologischen Überlegungen der letzten Jahre, habe ich die Überzeugung
vertreten und zu verbreiten gesucht, daß die katholische Kirche aus einer nur potentiell
Weltkirche seienden Kirche nun begonnen hat, wirklich aktuell Weltkirche zu werden und
dies auch im II. Vatikanischen Konzil auf höchster Ebene vollzogen und dokumentiert.
Bis in unsere Tage war diese Kirche eine europäisch-nordamerikanische Kirche mit Exporten
in alle Welt. Jetzt wird sie real Weltkirche mit einem einheimischen Klerus, der
selbständig ohne das Kommando europäischer Missionare in seinen Ländern ein autarkes
Christentum entwickelt. So will mir scheinen, daß die Peters-Karte auch genau in diese
kirchengeschichtliche Situation mit deren Zäsur hineinpaßt. Diese Kongruenz ist wohl
nicht eigentlich beabsichtigt, aber darum gerade um so überzeugender.
Sie haben ein geographisches Weltbild gezeichnet, das Mahnung und Bestätigung der Aufgabe
ist, an die das Christentum heute herangetreten ist. Man könnte vielleicht ein wenig
boshaft und ängstlich sagen: hoffentlich kehrt heute Rom nicht wieder zu einer Konzeption
der Kirche zurück, die der Mercator-Projektion anstatt der Peters-Projektion entspricht.
Unterschrift
(Prof. Dr. Karl Rahner S.J.)
Ordinarius für Dogmatik und
Dogmengeschichte an der Universität München
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Datum der letzten Aktualisierung: 25. Januar 2001