Der Philosoph
Als Mathematiker und Philosoph bin ich ein alter Bewunderer der Peters'schen Weltkarte.
Ich empfinde die Eleganz, mit der diese Projektion die Aufgabe löst, die ganze
Oberfläche der Erdkugel auf eine rechtwinklige ebene Fläche abzubilden und dabei die
unvermeidlichen Verfälschungen so zu verteilen, daß fast alles für den Zweck einer
Weltkarte praktisch wichtige recht getreu abgebildet ist und die größten Verzerrungen
nur Regionen treffen, bei denen es nicht so sehr darauf ankommt. Zu diesen Eigenschaften
der Peters-Karte ist von zuständiger Seite schon genug gesagt worden, und ich wiederhole
nur das mir wichtigste in Stichworten: Auf der ganzen Karte hat man absolute Flächentreue
und rechtwinkligen Schnitt zwischen Längen und Breitengraden. Es herrscht gute Formtreue
in den gemäßigten Zonen, ungewohntere Formen treten nur am Äquator und in der Nähe der
Pole auf, weshalb für die Darstellung der Polarzonen besondere Karten hinzuzufügen sind,
wie dies auch bei anderen Projektionen ratsam ist. Die Karte erlaubt, jeden Meridian in
die Mitte des Kartenblattes zu rücken, ohne daß sich an den Formen der Länder und
Kontinente etwas ändert. So kann jedes Land der Erde seine eigene Weltkarte zeichnen und
haben doch alle dieselbe.
Andere Vorzüge praktischer und ästhetischer Art kommen hinzu. Nimmt man alles zusammen,
so kann man sagen: Diese Abbildung der gesamten Erdoberfläche ist insgesamt wahrhaftiger
als alle bisher üblichen.
Aber sie ist doch so weit anders als die gewohnten, daß sie im ersten Augenblick manche
Betrachter abstößt. Sie wird von diesen auf den ersten Blick heute noch als etwas falsch
empfunden, obwohl sie tatsächlich erheblich richtiger ist als die gewohnte, weil eben die
gewohnte dabei unbewußt als richtig und als Maßstab genommen wird. Dieses psychologische
Hemmnis kann aufgeklärt werden und verliert sich, wie ich mehrfach beobachtete, nach
kurzer Gewöhnung.
Die Tatsache, daß Europa auf dieser flächentreuen Karte in seiner wahren Flächengröße
und damit uns ungewohntermaßen klein dargestellt ist, die übrige Welt, vor allem die
"Entwicklungsländer" dagegen überraschend groß, hat schon Stoff zu mancherlei
politopsychologischen Überlegungen gegeben. Daß Europa relativ klein ist, war immer
bekannt, und es kommt da auf das genaue Ausmaß kaum mehr an. Räumliche Größe ist nur
ein, nicht einmal unabdingbarer, Faktor zu wahrer Größe und Bedeutung eines Landes. Die
wahre Größe Europas liegt bekanntlich in seinen historischen Leistungen, und deren
Größe kann durch seine räumliche Kleinheit nur noch unterstrichen werden. Sie verblaßt
auch nicht hinter der Weite der Weltmeere, die auf dieser Karte so eindrucksvoll sichtbar
wird.
Die abendländische Kultur entstand aus der immer hartnäckigeren Suche nach immer
reinerer Wahrheit. Ihrem Geist entspricht, die heute wahrhaftigste Weltkarte zur Grundlage
des Nachdenkens über globale Probleme zu wählen.
Sollte man aber dann nicht gleich zum Globus greifen, der ja eine unübertreffbar getreue
Darstellung bietet? Gelegentlich sollte man das gewiß tun. Aber an ihm kann man
weltumspannende Zusammenhänge nur sehen, wenn man ihn anfassen und drehen kann. Man hat
dabei niemals die ganze Welt zugleich im Blickfeld, wie man das gerade wünscht. Niemand
kann sich einen Globus von allen Seiten zugleich vorstellen. Die unser Denken begleitenden
Vorstellungen sind immer zweidimensional. Deshalb wird jedes Denken über weltweite
Zusammenhänge tatsächlich überwiegend von der Vorstellung der gewohnten ebenen
Weltkarte begleitet und beeinflußt diese Vorstellung solcher Gedanken beträchtlich.
Deshalb ist die Weltkarte für uns wichtiger als der Globus, und wäre es gut, wir
gewöhnten uns an eine möglichst wenig lügende Weltkarte, die Peters'sche.
Ich würde also sehr befürworten, überall dort, wo unsere Vorstellung von der Welt
geformt wird, in den Schulatlanten, im Fernsehen, bei internationalen Konferenzen und wo
es sei, überall dort, wo über die ganze Welt oder einen großen Teil von ihr, ihre
Länder und Meere, nachgedacht wird, die Peters'sche Weltkarte zu verwenden.
Unterschrift
(Prof. Dr. Bruno von Freytag-Löringhoff)
Lehrstuhl für Logik
an der Universität Tübingen
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Datum der letzten Aktualisierung: 25. Januar 2001